Programm
Donnerstag, 25. September
Stadttheater
Begrüßungsempfang
20:00 Uhr
Oper auf der Couch
Identitätssuche in Mozarts Cosi fan tutte
Verleugnung von Identität oder, theatralisch ausgedrückt,
„Verkleidung“ – das ist der Kern von Mozarts Cosi fan tutte. Die
Oper wurde lange als absurd abgetan, aber inzwischen weiß man,
dass sie Mozarts modernste, weil weit ins Unbewusste vordringliche,
Oper ist. Zwei Männer sind mit zwei Mädchen verlobt. Um ihre Treue
zu prüfen, verkleiden sie sich, nehmen die Identität von Fremden
an und verführen „über Kreuz“ ihre Verlobten. Sind die
Verkleidungen wirklich so gut, dass die Mädchen keinen
„Durchblick“ haben? Oder haben sie ihn und spielen mit, weil unter
dem Deckmantel der Identitätsverschleierung nun sein kann, was
nicht sein darf – das Verbotene begehren und besitzen? Wenn die
Verkleidungen fallen, so man sie überhaupt gebraucht hat, sind
beide Beziehungen irreparabel beschädigt. Das zumindest ist die
Lesart aktueller Inszenierungen, z.B. von Oscar-Preisträger
Michael Haneke oder von den großen Menschen-Regisseuren Patrice
Chéreau und Dieter Dorn, die alle tiefe Einblicke in Mozarts
Seelen geben. Der Vortrag präsentiert Ausschnitte aus diesen
Produktionen und stellt Fragen zur Psychologie und
Musikdramaturgie der Mozart-Oper.
Christa Marahrens-Schürg, Dr. Sabine Sonntag
Im Anschluss daran:
Sektempfang
Teilnahme für Kongressteilnehmer kostenfrei –
Eine Begleitperson möglich: Kostenbeitrag € 10
Freitag, 26. September
Inselhalle, Saal Europa
Moderation: Susanne Walz-Pawlita
09:15 Uhr
Begrüßungen
09:30 – 10:30 Uhr
IdentitätEN: Verflüchtigt sich die
IDENTITÄT in der Postmoderne?
– Diskussion
Gerhard Schneider
Odo Marquard hat 1979 Identität als „Ersatzbegriff für
essentia“ nach dem „Ende Gottes“ charakterisiert. Der in
dieser Formel artikulierte Anspruch auf Kontinuität und
Kohärenz entspricht Erik H. Eriksons Vorstellung von Identität
als ein „dauerndes inneres Sich-Selbst-Gleichsein“. Dem
widersprechende theoretische Vorstellungen gibt es seit den
70/80er Jahren in der Sozialpsychologie und Soziologie. In der
Sozialpsychologie hat Kenneth Gergen eine relationale Theorie
des Selbst formuliert, die gegen die Konzeption eines
situationstranszendenten, überdauernden Selbst gerichtet ist.
Der Soziologe Hartmut Rosa hat 2005 das Konzept der
„situativen Identität“ entwickelt, das für die Postmoderne ein
der traditionellen Moderne gegenüber konträres Bild von
Identität zeichnet: „Kohärenz und Kontinuität des Selbst
werden … kontextabhängig, flexibel konstruiert, seine
Stabilität ruht nicht mehr auf substanziellen
Identifikationen“.
Es scheint also so zu sein, daß sich in der Postmoderne
Identität im traditionellen Sinn verflüchtigt – zumindest in
der Theorie. Meine Skepsis wird wach, wenn ich vom
Bibliotheksschreibtisch aufstehe und ins Behandlungszimmer
gehe. Was sich kasuistisch wie konzeptuell von dort her
schreiben läßt, klingt weniger flüchtig: Es ist z.B. schwer
für einen Patienten, sich auf Veränderungsprozesse
einzulassen, was sich in zugespitzter Form zeigt, wenn
pathologische Entwicklungen zu Krankheiten geführt haben, die
den Charakter einer (substitutiven) Identität haben (etwa im
Fall der Anorexie), deren Transformation, wenn sie denn
überhaupt gelingt, als katastrophische Veränderung (Bion)
vorzustellen ist, und es scheint, daß die klinische
Beschäftigung mit Störungen der Identität zunimmt (Michael
Ermann, Inge Seiffge-Krenke).
Ich werde vor diesem Hintergrund eine Kasuistik vorstellen,
die einen zentralen Aspekt des Spannungsfelds zwischen der
modernen und der postmodernen Auffassung von Identität
darzustellen erlaubt. Das Subjekt der modernen Form von
Identität besteht sozusagen darauf, jemand mit einer gewissen
Bestimmtheit zu sein und zu bleiben, d.h. Kontingenz, das
Andersseinkönnen ist konflikthaft. Umgekehrt besteht das
Subjekt der postmodernen Identität darauf, niemand im Sinne
einer überdauernden Bestimmtheit zu sein, d.h. Kontingenz als
solche ist hier nicht konflikthaft, sondern wird affirmiert. -
Abschließend geht es um die Frage, wie das Verhältnis der
soziologischen und der klinischen Ebene gedacht werden kann.
10:30 – 11:00 Uhr
Kaffeepause
11:00 – 12:00 Uhr
Identität und Beziehungen:
Therapeutische Konsequenzen der veränderten Identitätsentwicklung
bei Jugendlichen
– Diskussion
Inge Seiffge-Krenke
Psychotherapeuten begegnen heute zunehmend jüngeren Patienten, deren Identität noch nicht entwickelt ist, oder älteren, deren Identität verunsichert ist, beispielsweise durch den Verlust ihrer Arbeitsstelle oder durch die Trennung von ihrem Partner. Die Zahl der Fälle dieser „Identitätsdiffusion“ nimmt gegenwärtig zu, da sich Familie und Arbeitswelt – die eigentlichen Ankerpunkte für eine solide Identitätsentwicklung – im Umbruch befinden und ihre althergebrachten Funktionen immer seltener erfüllen. Zugleich gibt es eine zunehmende Anzahl von Patienten mit Migrationshintergrund, die ihre Identität erst entwickeln oder stark verändern müssen. Da sich Identität aus Beziehungen entwickelt, können Eltern potentiell als „Identitätsbremse“ wirken. Auch die Konsequenzen verzögerter Identitätsentwicklung für die Paarbeziehung (Intimität) sind gravierend. Der Vortrag reflektiert die therapeutischen Konsequenzen der veränderten Identitätsentwicklung und stellt anhand von klinischen Fällen dar, wie sich diagnostisch Identitätskrise, Identitätsdiffusion, Identitätskonflikte und Identitätsstörungen voneinander unterscheiden lassen und wie die klinische Arbeit mit Patienten aussehen kann.
12:00 – 13:00 Uhr
13:00 – 14:15 Uhr
Mittagspause
Im Anschluss:
Interne Sitzungen
Samstag, 27. September
Inselhalle, Saal Europa
Moderation: Bernhard Janta
09:30 – 10:30 Uhr
Essentialistische Identität und
narrative Identitäten: Was mag ein "richtiger" Analytiker sein?
– Diskussion
Tilmann Habermas
Mit der Spannung zwischen Selbstgleichheit und persönlicher Entwicklung, Erhalt der Tradition und lebendiger Erneuerung, Dazugehören und Ausschließen müssen sich Individuen wie Organisationen unausweichlich auseinandersetzen. Erikson verband Freuds Begriff der infantilen Identifizierung mit dem adoleszenten Streben, sich von den Eltern zu individuieren und Gleichaltrigen anzuschließen. Die Spannung zwischen Identität im Singular und Plural wird anhand der Entwicklung von Lebenserzählungen über die Lebensspanne und der Verhandlung lebensgeschichtlicher Identität zwischen Eltern und jugendlichen Kindern erörtert. Die Versuchungen übernommener oder gar essentialistischer versus diffundierender Identitäten werden am Beispiel ethnischer und psychoanalytischer Identität diskutiert.
10:30 – 11:00 Uhr
Kaffeepause
11:00 – 12:00 Uhr
LARGE-GROUP IDENTITY, MASSIVE
TRAUMA and ITS SOCIETAL/POLITICAL CONSEQUENCES
– Diskussion
Vamik Volkan
In englischer Sprache, Übersetzung liegt vor
I use the term “large group” to refer to tens of thousands or
millions of people, most of whom will never know or see each
other, and who share a feeling of sameness, a large-group
identity. We articulate such identities in terms of
commonality such as “we are Apaches; we are Lithuanian Jews,
we are Slav; we are German; we are Sunni Muslims; we are
communist.” Belonging to a large group is a natural phenomenon
of human life; it provides self-esteem on an individual level.
This presentation, however, is on one of its least desirable
by-products: shared prejudice against the members of another
large group. Wars, war-like situations, terrorism, and
diplomatic efforts are all carried out in the name of
large-group identity.This is true even though this
psychological source is usually hidden behind rational
real-world considerations – economic, legal, or political.
A large group traumatized at the hand of the Other needs to
grasp on its large-group identity markers in order to protect
and maintain its large-group identity and differentiate it
from the enemy’s large-group identity. Those markers which are
associated with the shared images of ancestors’ traumatic
histories and transgenerational transmissions are called
“chosen traumas.” When representatives of opposing large
groups meet to negotiate a peaceful co-existence they
reactivate chosen traumas. This creates a “time collapse”:
feelings, perceptions, fears, prejudices, and wishes connected
with chosen traumas become intertwined with feelings and
thoughts about the current enemy. This magnifies the dangers,
confuses reality, and leads to “magical thinking,” thus
complicating attempts at peaceful solutions in internal and
international affairs as well as during negations with the
“Other.” Diplomatic strategies informed by large-group
psychology can be best suited to deal with such difficulties.
12:00 – 13:00 Uhr
Die Angst vor der Großgruppe:
Identität und Soldatenmatrix
– Diskussion
Robi Friedman
Die Soldatenmatrix, eine vielleicht unbewusste, universelle
soziale STRUKTUR kann Einiges zum Verständnis von Beziehungen
in der Familie und in der Gesellschaft beitragen. Z.B. wirft
sie Fragen über unsere Identität(en), über Regression,
Geschlechts-Unterschiede und auch unsere Vater –Beziehungen
auf . Gibt es vielleicht eine "primary paternal
pre-occupation" , wie Winnicott eine "primary maternal
preoccupation"beschreibt, und was sind deren Funktionen?.
Es handelt sich nicht nur um historische Überlegungen zum
deutschen kollektiven Unbewussten, sondern auch zu heutigen
Fragen der Identifizierung und der zivilen Gesellschaft sowohl
hier wie überhaupt. Vielleicht ist die Gross-Gruppe gerade
dasjenige Setting, in welchem ein "Ich und Du"- Dialog
abgehalten werden kann und wo persönliche wie auch soziale
Rollen die Diskussion mitbestimmen. Ich werde über die
Konflikt – Dialoge, die wir in verschiedenen Orten gehalten
(for Allem Israel/Palestina und Nord-Irland) haben, kurz
berichten. Die Frage nach der Lokalisierung von psychischem
Leiden ist hier ebenfalls enthalten. Die Begegnung mit unserem
"anderen Selbst" wird durch die Begegnung mit dem Anderen
möglich.
13:00 – 14:15 Uhr
Mittagspause
Hinweis auf Parallelveranstaltungen (* PV) am Samstagnachmittag
Kurztitel | Ort | Uhrzeit |
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PV 1.1
Das Identitätsthema in der psychoanalytischen Theorie und Behandlungspraxis |
Saal Europa Inselhalle |
14:30-18:00 |
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PV 1.2
Die Aufgabe der Universitäten bei der Fortentwicklung der psychotherapeutischen Profession |
Saal Bayern Inselhalle |
14:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 1.3 Migration und Identität | Saal Lindau Inselhalle |
14:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 1.4 Forum Aus- und Weiterbildung | Raum Allgäu Inselhalle |
14:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 1.5 Identität und Religiosität | Raum Schweiz Inselhalle |
14:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 1.6 Identität und Geschichte | Lake Lounge Hotel Helvetia |
14:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 1.7 Offene AG der Vertrauensleute | Media Lounge Hotel Helvetia |
14:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 1.8 AG Psychoanalyse und Gesellschaft | Raum Konstanz I Hotel Bayerischer Hof |
14:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 1.9 Forschungsforum | Raum Konstanz II Hotel Bayerischer Hof |
14:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 2.0 Forum Beschneidung | Raum Konstanz III Hotel Bayerischer Hof |
14:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 2.1 Professionelle Identität | Raum Lindau Hotel Bayerischer Hof |
14:30-18:00 |
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PV 2.2
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie – ein psychoanalytisch begründetes Verfahren |
Raum Bregenz Hotel Bayerischer Hof |
14:15-18:30 |
Mehr erfahren PV 2.3 Gesprächsforum | Raum Vaduz Hotel Bayerischer Hof |
16:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 2.4 Psychoanalyse und Film | Studiokino Parktheater |
14:30-18:00 |
* PV 1.1 – Inselhalle, Saal Europa
Das Identitätsthema in der psychoanalytischen Theorie und
Behandlungspraxis
Moderation: Rupert Martin
(max. 600 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Umgang mit Fremdheit und Befremdung in der Psychotherapie mit traumatisierten Patienten
Monika Huff-Müller
Durch unsere psychoanalytische Arbeit machen wir täglich die
Erfahrung, dass Verlassen der Heimat deutliche Spuren in der
Psyche hinterlassen. Zunehmend hat sich in den letzten Jahren
ein Bewusstsein entwickelt, dass die kulturellen, politischen
und historischen Bedingungen, insbesondere in Psychotherapien
mit Flüchtlingen, zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus
stellt sich aber auch die Frage, ob diese Faktoren heute nicht
grundlegender zu beachten sind, auch bei Patienten, die sich
als freiwillig mobile Menschen in der Postmoderne bezeichnen.
Und wenn das so ist, was bedeutet dies für unsere
psychoanalytische Vorgehensweise?
Ich möchte beschreiben, inwiefern die psychoanalytische
Methodik sowohl um den Aspekt der kulturellen Empathie als
auch um den Aspekt der kulturellen Differenzierung ergänzt
werden sollte.
Anhand zweier Fallstudien versuche ich Möglichkeiten zu
diskutieren, wie der Psychoanalytiker in der Arbeit mit
traumatisierten Patienten sich die Suche des Patienten nach
einer neuen Identität in einem fremden Land nutzbar machen
kann.
Im ersten Fall wird die Leugnung des Andersseins und der
Versuch so Teil einer neuen Gemeinschaft zu werden
beschrieben. Die traumatisierte Patientin suchte eine neue
Identität zu erfinden mit dem Wunsch eines radikalen
Neuanfangs bei gleichzeitiger Gefahr des Selbstverlustes. Im
Mittelpunkt der psychotherapeutischen Arbeit stand der Versuch
die abgespaltene Migrationsgeschichte zu integrieren.
Im zweiten Fall wird das Aufsuchen der Fremde, mit dem Ziel
das ursprüngliche Traumatische zu verorten, beschrieben. Die
Patientin versuchte durch Migration das Trauma an einen
fremden Ort zu containen und in einer fremden Sprache zu
mentalisieren. Im Mittelpunkt der psychotherapeutischen Arbeit
stand, die Abspaltung zu nutzen, um das Trauma auszudrücken
und das Selbst zu sichern.
Fremdheit - und der Konflikt um die Identität
Klemens Färber
Im Zeitalter des „flexiblen Menschen“, der sich „immer neu erfindet“ und „für alles offen sein“ soll, droht Identität zum Randthema zu werden. Entsprechend häufig nehmen Krisen der Identität dann spektakuläre oder zerstörerische Formen an und erzwingen sich Aufmerksamkeit. „Einfache“ Identitätskonflikte bleiben dagegen oft im Verborgenen, auch weil sie im Umfeld auf Befremden stoßen. Warum ist das so? Viele Anpassungsstörungen sind im Kern selbst ein zugespitztes Fremdheitsgefühl: Eines, das sich als Angst oder Ressentiment zeigt, manchmal in allergischem oder in paranoischem Reagieren. Jedes davon müsste man als eine „provisorische Form des Bewusstseins vom eigenen Selbst“ behandeln. - Das Gegenteil dazu wäre die Verleugnung von Angst und Fremdheit: hier sehen wir „probatorische Identitäten“ und letztendlich eine stabile Konfusion. – Zurecht begreifen wir Identität heute als einen „transitorischen“ Prozess, der überall relational eingebettet ist. Doch wo bleibt der statische Aspekt? - Identität muss eben auch tragende Struktur und stabile Klammer sein. Deshalb begegnen uns Identitätskonflikte so oft als Widerstand und rücken damit schließlich doch noch ins Zentrum des therapeutischen Geschehens.
Körpermodifikation als Identitätszeichen oder aber als Identitätsersatz
Mathias Hirsch
Formen zeitgenössischen Körperagierens in der Adoleszenz, wie besondere Haartracht ("Punkfrisuren"), Tätowierungen und Piercings, sowie pathologische Körpermanipulationen wie Selbstverletzung und Ess-Störungen, haben eine auffallende Ähnlichkeit bzw. gehen parallel mit den Körperritualen der so genannten Naturvölker, teilweise auch mit denen unseres eigenen Kulturkreises. Bei aller Ähnlichkeit sind jedoch drei in ihrem Wesen verschiedene Formen zu unterscheiden:
- Die gesellschaftskonformen Körperpraktiken, die der Tradition einer sozialen Gruppe entsprechen und öffentlich-rituell Identitätsschritte in der menschlichen Entwicklung markieren (insbesondere Initiation in der Adoleszenz), wie wir es bei den "Naturvölkern" und in Rudimenten in unserer Kultur finden (Identitätszeichen).
- Die Benutzung des eigenen Körpers, um sich als Adoleszenter meist in Peer-Groups provozierend und rebellierend gegen überkommene Traditionen abzugrenzen; hier wird am Körper eine passagere Gegenidentifikation markiert, die gerade nicht den überkommenen Traditionen entspricht, jedoch wieder verlassen wird und in eine reife Erwachsenen-Identität übergeht (Identitätszeichen und passagerer Identitätsersatz). Jenseits der Adoleszenz kann eine Überbesetzung des Körpers („Fitness“, „Schönheitschirurgie“) ähnliche Funktionen erfüllen.
- Die pathologischen Formen des Körperagierens dagegen bedeuten Entwicklungsstillstand und Arretierung der Identitätsentwicklung, sie müssen (wie eine Sucht) ständig wiederholt werden, um eine prekäre Ersatzidentität aufrechtzuerhalten, weil die Entwicklung einer autonomen Identität mit psychosenaher Trennungsangst verbunden wäre (Identitätsersatz).
Psychoanalyse heute: Jung Reloaded oder was? Der Beitrag der Analytischen Psychologie Jungs für die Identität der Psychoanalyse
Volker Münch
Mit der Erweiterung des psychoanalytischen Denkens um das
intersubjektivistische Paradigma ist nicht nur die Beziehung
zwischen den zwei therapeutischen Partnern grundsätzlich neu
überdacht und bereichert worden, sondern das Augenmerk gilt
nun auch vermehrt jenem, was das Fühlen und Denken jener
beiden überhaupt erst bestimmt und sich in Form ihrer
Beziehung zu etwas für die Protagonisten nie da Gewesenem
amalgamisiert. Jenes Neue jedoch wird, je nach Blickwinkel,
unterschiedlich konzeptionalisiert: während es Bollas zunächst
mehr um das subjektkonstituierende „Idiom“ geht, spricht
Leikert von der „kinästhetischen Semantik“ der Beziehung als
dem sinnlich sich manifestierenden Gemeinsamen und Ogden
schließlich umfassend vom „analytischen Dritten“, das sich als
gemeinsames Thema offenbare und im Vor-Bewussten des
Analytikers entdeckt werden will.
Das sich Beziehungen entlang ihrer unbewusst aufgefundenen und
geknüpften Berührungsspunkte entwickeln und das in den
ungelenkten und teilweise auch unbewusst bleibenden
Verbundenheiten die eigentliche Wirksamkeit der intensiven
analytischen Beziehungen besteht, davon ging auch bereits C.G.
Jungs Konzeption des kollektiven Unbewussten und dessen
Hineinreichen in die Psyche des Einzelnen aus. Daraus ergeben
sich allerdings im praktischen therapeutischen Vorgehen manche
grundlegenden Unterschiede, weniger in der Handlung, als mehr
in der Haltung des Behandlers.
Jenes, das im klasssischen Verständnis überwunden oder
zumindest dem Ich unterworfen werden sollte, wird hier mehr
als Quelle der Orientierung verstanden: das Unbewusste kann
gerade aufgrund seiner kollektiven Bedeutungshaftigkeit und
der in ihm enthaltenen Möglichkeit der Rückversicherung dem
Einzelnen Halt geben. Das Individuelle erhält seine Ausprägung
aus dem je persönlich verschieden ausgestalteten Kontakt zu
unbewussten Inhalten. Darum kann es nicht um die
„Trockenlegung eines Sumpfes“ gehen, sondern viel mehr um die
Befähigung, die Ängste vor dem Ich-Verlust aushalten zu lernen
und gerade an der Erkenntnis daran zu wachsen, dass sich oft
eben etwas nicht „bewältigen“ lässt, sondern dass man
lediglich lernen kann, besser mit sich und miteinander zu
leben.
Hinsichtlich der Frage nach der Identität liefert somit m.E.
die jungsche Psychologie einen unverzichtbaren Baustein, denn
sie geht davon aus, dass Identität immer etwas Transitorisches
und Fragiles sein muss, auch, um Identität zu bleiben. Denn
wer sich nicht ändern kann, ist dem Untergang geweiht. Diese
Annahme der „Dissoziabilität der Psyche“ ist seit beinahe
hundert Jahren Teil der Historie der Psychoanalyse. Dies soll
in Erinnerung gerufen werden und auch gefragt werden, wieso es
die „Identität“ der Psychoanalyse gefordert haben mag, diese
Einsicht so lange zu verdrängen. Schließlich verweist dieser
Prozess auch auf die Relativität und zeitgeschichtliche
Abhängigkeit jeder Vorstellung von Identität und
Ich-Haftigkeit. Unabhängig davon ist allein die Vorstellung
der analytischen Psychologie, dass wir alle über unsere
Anteile am kollektiven Unbewussten an einer invariablen,
archetypischen, menschheitskonstituierenden „Identität“
teilhaben. Die Rede ist von gemeinsamen unbewussten Inhalten,
Bildern, Träumen, Symbolen und Konflikten. Insofern bestünde
keine Notwendigkeit, an der erodierenden, eher statisch
konzipierten herkömmlichen Vorstellung von Identität
festzuhalten: Zugunsten einer umfassenderen, finale Aspekte
einschließenden Konzeption eines Unbewussten, das dann nicht
nur als Verhinderer gesehen wird oder als Ort des Schreckens,
sondern das erst Wandel und Wachstum ermöglicht – nicht nur in
unseren Behandlungen, sondern auch in unserer Profession.
– Diskussion
* PV 1.2 – Inselhalle, Saal Bayern
Die Aufgabe der Universitäten bei der Fortentwicklung der
psychotherapeutischen Profession
Moderation: Jürgen Körner
(max. 250 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Gibt es eine Legitimationskrise der Psychoanalyse?
Jürgen Körner
Dieser Beitrag wird den Themennachmittag über die Aufgabe der
Universitäten bei der Fortentwicklung der
psychotherapeutischen Profession einleiten. Fünf
Hochschullehrer(inn)en werden aktuelle Probleme diskutieren,
mit denen die Psychoanalyse bzw. die psychoanalytische
Ausbildung konfrontiert ist und der Frage nachgehen, welche
Beiträge die Universität zur Bewältigung dieser vor uns
liegenden Aufgaben leisten könnten.
Das Einführungsreferat wird von den zahlreichen
Herausforderungen, denen sich die Psychoanalyse heute
ausgesetzt sehen kann, eine ausführlicher untersuchen: Das
nachlassende Interesse an der analytischen Psychotherapie und
an der analytischen Ausbildung könnte als Folge einer
Legitimationskrise verstanden werden, in die alle Professionen
geraten sind, deren Aufgabe es ist, allgemeinere
wissenschaftliche Erkenntnisse in das Verständnis hoch
komplexer Einzelfälle des Alltags umzusetzen, das gilt z. B.
für Ärzte, Pädagogen und Psychotherapeuten. Weil diese ihr
Fallverständnis nicht deduktiv aus Theorien ableiten können,
entsteht zwischen ihrer Theorie und ihrer Praxis eine
„Begründungslücke“, die sie mit ihrer praxeologischen
Kompetenz und persönlichen Überzeugungskraft schließen müssen.
Zweifellos gelang ihnen das über viele Jahre mit guten
Erfolgen. Aber die heutigen, aufgeklärten und informierten
Patienten zweifeln an der fachlichen Autorität und der
moralischen Überlegenheit dieser Professionen. Sie verlangen,
dass diese ihre Handlungen begründen und rechtfertigen können.
Möglicherweise haben gerade die Psychoanalytiker einen
Vertrauensverlust ihrer Profession dadurch befördert, dass sie
in der Vergangenheit ihre Methode mystifizierten und ihre
Handlungen auf eine Weise begründeten, die rationalen
Argumenten wenig zugänglich war.
Gibt es ein Alleinstellungsmerkmal der Psychoanalyse?
Cord Benecke
Das dynamische Unbewusst, unbewusste Wünsche und Affekte, Abwehr, Übertragung und Gegenübertragung, die Bedeutung der Bearbeitung von Kindheitserfahrungen und der therapeutischen Beziehung – lange Zeit waren diese und andere Konzepte exklusiv der Psychoanalyse zugeordnet. Seit etlichen Jahren finden diese Konzepte aber auch Eingang in Modelle anderer Psychotherapieverfahren. Es soll versucht werden, die konzeptuellen Annäherungen sowie die nach wie vor bestehenden Unterschiede herauszuarbeiten. Dabei wir auch auf Ergebnisse der Psychotherapieprozessforschung eingegangen, die zeigen, dass Therapeuten aller „Schulen“ in ihren konkreten Interventionen eine Art technischer Mischung realisieren. Es wird eine Taxonomie der „Nutzungsarten“ der therapeutischen Beziehung vorgestellt.
Vom Nutzen universitärer Propädeutik in Psychoanalyse für die Institutsausbildung: Risiken und Chancen
Wolfgang Mertens
Wie können zukünftig – wenn Psychologie-Studierende die
Möglichkeit erhalten, wieder etwas von den Grundlagen der
Psychoanalyse zu erfahren – universitäre Propädeutik und
spätere Aus-/Weiterbildung an psychoanalytischen Instituten
miteinander verbunden werden? Welche Inhalte und Kompetenzen
können als eine sinnvolle Grundlage für die postgraduierte
Aus-/Weiterbildung bereits an der Universität gelehrt werden?
Anhand eines Beispiels wird eine mögliche Verbindung
skizziert: Das Konzept zweier unterschiedlicher
Funktionsweisen des Psychischen, der Primär- und
Sekundärvorgang, galt lange Zeit als eines der wichtigsten
Entdeckungen von Freud und als mindestens ebenso bedeutsam wie
seine Erforschung des Unbewussten. Trieb, Traum, Regression,
Neurose, Persönlichkeitsstörung, aber auch Kreativität können
ohne diese Funktionsmodi nicht sinnvoll gedacht werden.
Macht aber ihre Verwendung weiterhin Sinn angesichts der
zeitgenössischen Psychoanalyse, in der sich die klassischen
Grundlagen der Triebpsychologie aber auch des Verständnisses
des Traums grundlegend gewandelt haben? Und worin könnte der
universitäre Beitrag zu dieser Thematik liegen? Wie können
sich universitäres Grundlagenwissen und spätere klinische
Erfahrung zu einem sinnvollen Ganzen verbinden lassen? Welche
möglichen Risiken treten hierbei auf?
Die Entwicklung der modernen Psychotherapie an den Universitäten – hat die Psychoanalyse eine Chance?
Silke Wiegand-Grefe
Früher gab es eine klare Trennung der Therapieschulen. Moderne Therapieverfahren nähern sich konzeptuell einander immer weiter an. Aus der klassischen kognitiven Verhaltenstherapie sind in der sogenannten 3.Welle der Verhaltenstherapie Achtsamkeitsbasierte Verfahren, CBASP, biographische Verhaltenstherapieansätze unter Betonung der Lebensgeschichte und der therapeutischen Beziehung hervorgegangen. In modernen psychoanalytischen Konzepten unter Berücksichtigung störungsspezifischer Besonderheiten (MBT, TFP, strukturelle Verfahren, interaktionelle Verfahren) spielen Strukturierungen, Begrenzungen, Aktivitäten eine größere Rolle. Im Vortrag werden aktuelle Entwicklungen moderner Psychotherapiekonzepte kurz skizziert. Außerdem werden Studierende der Bachelor- und Masterstudiengänge Psychologie einer Universität befragt, was sie von diesen Entwicklungen und einer Direktausbildung halten, wie sie sich darauf vorbereitet fühlen und welche therapeutischen Wege sie zukünftig einschlagen möchten. Die Ergebnisse dieser Befragung werden im Vortrag vorgestellt.
Entwicklung von Psychoanalytikern im Spannungsfeld zwischen Universitäten, Instituten und Fachgesellschaften
Martin Teising
„Zur Entwicklung von Psychoanalytikern im Spannungsfeld
zwischen Universitäten, Instituten und Fachgesellschaften“
Ausgehend von den Ergebnissen des Forschungsgutachtens zur
Ausbildung von Psychologischen PsychotherapeutInnen und
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und den
vorliegenden Reformvorschlägen zum Psychotherapeutengesetz
wird das Spannungsfeld zwischen Universitäten, Instituten und
Fachgesellschaften, auch vor dem Hintergrund des
Bologna-Prozesses, kritisch beleuchtet. Dabei greift der Autor
auf Erfahrungen als Leiter eines Ausbildungsinstitutes, als
Hochschullehrer, als Vorsitzender einer Fachgesellschaft und
als Präsident der International Psychoanalytic University
Berlin zurück.
Bei der Diskussion über die Entwicklung zukünftiger
Psychoanalytiker wird auch auf die Bedeutung der Grundberufe
eingegangen.
– Diskussion
* PV 1.3 – Inselhalle, Saal Lindau
Migration und Identität
Moderation: Ingrid Rothe-Kirchberger
(max. 80 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Fremdheit und Identität: Wenn einem Hören und Sprechen vergeht.
Helga Felsberger
Fremdheit soll in diesem Beitrag wie das Valentin'sche „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“ auf sein
Verhältnis zum Begriff der Identität überprüft werden. Die Rückkopplungen von Fremdheitsreflexionen sollen im
Lichte kulturwissenschaftlicher, linguistischer sowie psychoanalytisch und gruppenanalytischen Überlegungen
untersucht werden, mit besonderen Blick auf die sinnlich-leibliche Ebene der beteiligten Affekte.
Hören und
Sprechen, die frühesten sprachlichen Fertigkeiten, sind durch und durch sinnlich-leiblich und gerade dadurch,
das an sich intersubjektiv Verbindende. Das wieder und wieder Hören des Singsangs unserer sprachlichen Umgebung
beginnt im Mutterleib und umgibt uns zeitlebens wie ein akustisches Kissen, eine Badewanne aus Klang, die wie
der Kohut'sche“ Glanz in den Augen der Mutter“ notwendig ist für die Entwicklung einer sicheren Bindung und der
Fähigkeit des Sich-Einbindens in soziale Kontexte, in eine soziale Matrix.
G.H. Mead verwies schon 1934 auf die
immense Bedeutung von Sprache als sozialer Rückkoppelungprozess und zwar v.a. der akustisch-stimmlichen Dimension
von Sprache.
Sprachliche (v.a. akustisch-stimmliche) und damit kognitive-affektive Fragmentierungen oder
Entkoppelungen in diesem Prozess können zu allen Zeiten in der psychischen Entwicklung und im Hier und Jetzt
unseres sozialen Umfeldes mitunter massive Folgen für das Individuum aber auch für Gruppen nach sich ziehen.
So entstehen „Dissoziationen“ im Innen und im Außen – von Innen und von außen in der Psychose und in der Migration.
Diese Prozesse sind in vertikaler und horizontaler Weise wirksam im Individuum, in Gruppen und transgenerational
verstanden auch in Gesellschaften, wirken sich aus in mehr oder weniger starken Beeinträchtigungen der Perzeption
und Produktion von emotionaler Prosodie z.B. in der Psychose bis hin zum von Katharina Brizic (2006) beschriebenen
„Sprachtod“ einer Gruppe.
„…. sind Sie deutsch geworden?!“
Migration und Identitätstransformation
Hediaty Utari-Witt
Dieser kritisch-unfreundliche Aufruf wurde mir von einer
Patientin mit Migrationshintergrund geäußert: ich selbst als
ein „Migrant-therapist“
(Salman Akhtar) erfuhr im
Übertragung-und-Gegenübertragungsgeschehen Projektionen
bedürfnisbefriedigender Wünsche, wie auch der daraus
resultierenden Enttäuschungswut.
Nach einer Darstellung einer Fallvignette, die auch eine
Zusammenfassung innerer Transformationen beiderseits
beinhaltet, sollten verschiedene Aspekte im
Übertragung-und-Gegenübertragungsgeschehen gemeinsam
diskutiert und ausgearbeitet werden. Dabei können Anteile aus
der persönlichen Entwicklung von denen aus sozio-kulturellen
Ebenen evt. unterschieden werden. Im gesamten Therapieprozess
werden Verlust, Abschied und Trauerarbeit durchgearbeitet.
Stillstand in Zeiten des Wandels? Die Stagnation der Vater- und Mutterbilder von Menschen aus dem islamischen Kulturkreis in der Migration.
Ismail Karacaoglan
Als es durch die 68er-Bewegung in Deutschland zu einem
tiefgreifenden gesellschaftlichen Umbruch kommt, treffen die
ersten Gastarbeiter aus muslimischen Kulturkreisen,
vornehmlich aus der Türkei, in Deutschland ein. Sie ziehen in
ein Land, in dem die Orientierung an der Elterngeneration in
Frage gestellt wird und der Begriff des Patriarchats zum
Schlagwort geworden ist. Sie leben und arbeiten jetzt in einer
Gesellschaft, in der sich die Geschlechterrollen
pluralisieren, in der man sich intensiv mit der Frage der
Individuation auseinandersetzt. Nach und nach folgen ihnen
Familienangehörige nach Deutschland, wo ein Prozess der
Veränderung des sozialen Wertesystems die Vater- und
Mutter-Imagines nachhaltig modifiziert.
Der Aufenthalt der arbeitenden Gäste ist von beiden Seiten
nicht auf Dauer gedacht. Man richtet sich das Leben
wechselseitig provisorisch ein. Auf dem Boden der emotionalen
Bindung an das Herkunftsland und einer bereits gefestigten
Biographie versucht die erste Generation, durch Idealisierung
der Heimat die Verunsicherung, die das Leben in Deutschland
mit sich bringt, zu kompensieren. Dieser
„Diaspora-Konservatismus“ (Kızılhan, 2008) bewirkt ein
stärkeres Festhalten an traditionellen Werten und Normen als
bei den eigenen Landsleuten im Herkunftsland. So rutschen die
Gast-Arbeiter langsam aus der einen Welt, ohne dass sie in der
anderen ihren Platz gefunden hätten. Die nächste – in
Deutschland geborene oder nachgereiste - Generation hält an
patriarchalen familiären Strukturen und der Sicherheit der
Traditionen fest, die nun durch die so anders anmutende
Mehrheitsgesellschaft erschüttert werden. Das Finden einer
individuellen Identität wird zum Balanceakt zwischen zwei
Welten.
Welche Spuren hinterlässt dieses migrationsbedingte
„Ich-Beben“ (Grinberg & Grinberg, 1990) intrapsychisch –
und wie wirken sich diese interpersonell aus?
Eine These ist, dass die Schwierigkeiten der türkischstämmigen
Migrantenpopulation hinsichtlich gesellschaftlicher Teilhabe,
Bildungserfolgen usw. auf eine Stagnation der Eltern-Imagines
zurückzuführen sind. Wie diese vom Erleben der Migration und
der patriarchalisch-islamischen Gesellschaftsordnung geprägt
sind, soll dabei ebenso Berücksichtigung finden wie der
Einfluss des sich im Wandel befindlichen neuen Lebensumfeldes
in Deutschland. Zur Illustration der Ausführungen werden
kasuistische Fallbeispiele aus der langjährigen Arbeit mit
türkischstämmigen Patienten in psychoanalytischen Einzel-
sowie Gruppenbehandlungen herangezogen.
Migration - Identität - Kultur? Oder: Identität in Zeiten von Postmigration und Hybridität
Ulrike Kluge
In den Sozialwissenschaften wird in den letzten Jahren
zunehmend von postmigrantischen Gesellschaften gesprochen. Es
wird davon ausgegangen, dass die darin befindlichen Subjekte
sich vermehrt durch Vermischung, vielfältige Zugehörigkeiten
und hybride Identitäten auszeichnen. Was kann die
Psychoanalyse zum Verständnis dieser Prozesse auf
gesellschaftlicher und individualpsychologischer Ebene
beitragen und was kann daraus für die weitere Entwicklung der
Interkulturelle Psychotherapie abgeleitet werden?
Wenn das „Inter“ in einer therapeutischen Beziehung zwischen
Analysand und Analytiker aus verschiedenen soziokulturellen
Kontexten nicht mehr genau bestimmbar ist, wenn Individuen
vielmehr eingebunden sind in vielfältige ethnische, nationale,
kulturelle, sprachliche, traditionelle, globale und andere
Zugehörigkeiten, wie werden in einer therapeutischen Beziehung
Umkartierungen von Kultur, kulturellen Identitäten und
Alteritäten aushandelbar?
Anhand von Fallbeispielen und unter Bezugnahme auf Konzepte
wie den Transkulturellen Übergangsraum (Winnicott, Nadig,
Özbek, Wohlfart), aktuelle theoretische Überlegungen von
Bollas zur Methode des freien Assoziierens und Fragen nach
Spaltungs- und Integrationsprozessen wird herausgearbeitet,
was gerade psychoanalytische Theorie und Praxis zum
Verständnis dieser zeitgenössischen Prozesse und Diskurse
beitragen kann.
Es wird der Versuch unternommen das Potential einer
psychoanalytischen Haltung des Aushaltens des Nicht-Wissens,
des noch nicht Verbalisierbaren aufzuzeigen. Und wie eine
solche Haltung eine Möglichkeit bieten kann, Prozesse von
Hybridisierung und die zunehmende Komplexität der
Lebensrealitäten in kulturellen Zwischenräumen zu verhandeln.
Im Idealfall eröffnet sie damit den Rahmen transkulturelle
Konflikte und die dazugehörigen Ambivalenzen zu verhandeln und
zu verstehen.
Identität, Migration und Trauma
Oliver Schwald
"Migration nach Europa heisst häufig auch Flucht, Vertreibung und Traumatisierung. Fehlt die Bestätigung durch die frühere Umgebung des Heimatlandes und gibt es (noch) keine Anerkennung in der neuen Umgebung des Aufnahmelandes, entsteht zunehmend das Gefühl von fehlender Kontinuität im Identitätserleben. Es wird notwendig neue Selbstrepräsentanzen zu bilden und diese mit den alten zu integrieren. Regulierende Funktionen des Ichs sind für den Prozess der Identitätsbildung notwendig mit dem Ziel ein Gleichgewicht zwischen äusseren Ansprüchen, gesellschaftlichen Rollen, der inneren Realität und inneren Identifizierungen oder Grunderfahrungen zu schaffen. Gerade traumatische Erfahrungen können ein Identitätsthema vorgeben oder auch psychische Strukturen zerstören, die den Prozess der Identitätsbildung durch eine traumabedingte Beeinträchtigung der Selbstregulation erschweren. Entfremdung wird als Gegenpool zur geglückten Identitätsbildung während des Migrationsprozesses thematisiert.”
– Diskussion
* PV 1.4 – Inselhalle, Raum Allgäu
Forum Aus- und Weiterbildung
Moderation: Steffen Elsner, Daniela Foohs, Patricia Martin, Ulrike Vetter
(max. 40 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Ein Beruf, zwei Verfahren - Das Ausbildungsinstitut als Entwicklungsstätte einer psychotherapeutischen Identität?!
Das psychoanalytische Ausbildungsinstitut als Vermittler von fachlicher Kompetenz und psychotherapeutischer Haltung in seelischen Veränderungsprozessen
Heribert Blaß
Ziel, Inhalt und Gestaltung einer psychoanalytisch-psychotherapeutischen Ausbildung sind eng verknüpft mit dem Grundverständnis vom psychoanalytischen und/oder psychotherapeutischen Prozess. Besteht das Ziel eines psychoanalytischen Prozesses entsprechend der klassischen Auffassung Freuds oder der französischen Psychoanalyse primär in der Suche nach seelischer Wahrheit des Analysanden, so dass eine persönliche Veränderung nur als Nebenprodukt entsteht? Oder sind Veränderungsprozesse von Beginn an intendiert und an die Entfaltung eines seelisch-interpersonalen Prozessgeschehens gebunden? Wenn wir den Schwerpunkt auf die Entwicklung von Veränderungsprozessen legen, müssen wir zwischen einem prozeduralen und einem semantischen Anteil am Beziehungsgeschehen, am Beziehungswissen und an der Bildung seelischer Repräsentanzen unterscheiden. Der prozedurale Anteil umfasst das nicht-sprachliche und implizite Beziehungswissen, der semantische Anteil betrifft das in sprachliche Symbole gefasste, explizite Beziehungswissen. Seelische Veränderungsprozesse gründen nicht vorwiegend im Bewusstmachen unbewusster Prozesse, sondern im Erleben und Verstehen eines in der Zeit verankerten „Vorangehens“ aus relationalen Schritten, Jetzt-Momenten und Momenten der Begegnung. Für eine kompetente Handhabung benötigt ein Therapeut eine Verankerung gleichermaßen in psychoanalytischer Theorie und in einer umfassenden eigenen Erfahrung mit seelischen Veränderungsprozessen.
Das psychoanalytische Ausbildungsinstitut vermittelt einen Lernprozess, in dem sowohl der Erwerb fachlicher Kompetenz in Form von Theorie und Supervision als auch die Entwicklung einer inneren Haltung zum psychoanalytischen Prozess bedeutsam sind. Im Vortrag soll ausgeführt werden, dass es Differenzierungen innerhalb der Identitätsentwicklung von Kandidaten gibt, je nachdem ob die Veränderungsprozesse mehr durch Förderung von Regression und Umgang mit Abhängigkeit unter deutlichem Einbezug des prozeduralen Anteils am Beziehungsgeschehen verstanden werden, oder ob die Förderung von Autonomie und Unabhängigkeit des Patienten unter Betonung des semantischen Anteils im Vordergrund steht. Der Autor vertritt die These, dass je nach Grundhaltung höher- oder niederfrequente Formen der persönlichen Analyse von Kandidaten gewählt werden, wobei er selbst in einer hochfrequenten persönlichen Analyse und in der supervidierten Durchführung entsprechender Behandlungen eine Möglichkeit sieht, umfassende Erfahrungen mit den prozeduralen und semantischen Anteilen von Veränderungsprozessen zu machen. Ausgehend von dieser Basis bieten sich vielfältige Möglichkeiten für eine lebenslange Berufstätigkeit als Psychoanalytiker oder analytischer Psychotherapeut.
Kontinuität und Diskontinuität
Wandlung der psychotherapeutisch/psychoanalytischen Identität
Karl-Albrecht Dreyer
Was ist aus uns geworden? Identätsentwicklung tiefenpsychologisch
fundierter PsychotherapeutInnen
Kristina Frederking
Vom Suchen und Finden der tiefenpsychologischen psychotherapeutischen Identität an einem psychoanalytischen Institut
Stephanie Wassing
– Diskussion
* PV 1.5 – Inselhalle, Raum Schweiz
Identität und Religiosität
Moderation: Kurt Höhfeld
(max. 40 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Mythologie – Urquelle von Identität
Wolfhard König
Große Kulturen haben Nationalepen oder Nationalmythen.
Griechenland etwa die Illias und Odyssee, Indien das
Mahabharata und das Mahayana. Für beide Hochkulturen sind
diese Mythen Quelle ihres Selbstverständnisses. Für
Deutschland wurde diskutiert, ob das Nibelungenlied ein
solches Epos sein könnte (sehr heikel, denn zum Schluss sind
alle tot), sowie unbestritten der Arthus-Mythos für
Großbritannien.
J. Campbell vertritt, das der Heldenmythos (der Heldenweg und
die Wandlungen des Helden oder die Nachtmeerfahrt) für die
ganze westliche Kultur (bes. Europa) kennzeichnend ist, mehr
als für andere Kulturen.
C.G. Jung wiederum vertritt, dass ein Mensch, wenn er seine
Biographie erzählt nur seinen (subjektiven) Mythos
(Individualmythos) erzählen könne. Schon sein Bruder würde ein
anderes Narrativ erzählen, aus dem vielleicht ein anderes
Selbstverständnis hervorgehen würde.
Für das Abendland müssen wir zwei große mythologische
Identitätsquellen berücksichtigen: die griechische (und
römische) und die keltisch-germanische.
Wie intensiv prägen diese Mythologien die Identität einer
Kultur und eines Individuums, wie sehr können sie
identitätsstiftend sein – damals und heute?
Anatta – Die Lehre vom Nicht-Selbst
Ulrike Anderssen-Reuster
Im Dialog zwischen Psychoanalyse / Psychotherapie und
Buddhismus kann die Auseinandersetzung mit dem Thema Identität
und Selbstkonzeption für beide Seiten fruchtbar werden. Wenn
die Aufgabe der Psychotherapie darin gesehen werden kann, ein
kohärentes Selbsterleben zu entwickeln und die Ich-Funktionen
zu stärken, so ist das Ziel der buddhistischen Übungspraxis,
das Selbstkonzept und Identifikationen mit Partialaspekten des
Erlebens zu überwinden. Beide Wege beanspruchen, psychisches
Leid zu lindern und seelische Reifung zu fördern, ihre
theoretischen Grundlagen und Methoden sind jedoch sehr
unterschiedlich.
Der Vortrag will vermitteln, dass sich diese Ansätze ergänzen
und befruchten können. Die buddhistische Anatta – Lehre (die
Lehre vom Nicht-Selbst) zeigt manche Parallelen zu
relationalen psychoanalytischen Ansätzen. Sie kann als
anti-narzisstische Alternative zur gegenwärtigen Kultur der
Selbstoptimierung und Selbstbezüglichkeit gesehen werden. Die
Methodik des Geistestrainings vermittelt eine Schulung von
Achtsamkeit, präziser Wahrnehmung und Innenschau und
ermöglicht dadurch eine Desidentifikation von Gedanken und
Selbstkonstruktionen. Dies ist therapeutisch fruchtbar und
relevant.
Psychoanalytische und religiöse Identitätsanteile im Vergleich
Wilfried Ruff
Unter Identität verstehe ich ein individuelles
Selbstverständnis mit kongruenten inneren Bildern
(Selbstrepäsentanzen) und einem Ich-bin-Ich-Erleben. Es
entwickelt sich aufgrund von Identifikationen mit Vorbildern
und in Abgrenzungsprozessen von diesen bzw. anderen
Bezugspersonen. Innerhalb eines (auch damit) vorgegebenen
individuellen Rahmens verändert es sich in
Auseinandersetzungen mit der inneren und äußeren Welt, sofern
und solange es „sich selbst als Kontinuum zu erfahren“
(Eisler) vermag. Vor allem Beziehungserfahrungen ermöglichen
Veränderungen in Anteilen des individuellen
Selbstverständnisses. Diese Anteile betreffen verschiedene
soziale Felder, in denen sich das Individuum sowohl in einer
solidarischen Gemeinschaft als auch in dieser eigenständig
erlebt und erfährt. Es ist also teilnehmender Beobachter und
handelndes Subjekt zugleich.
Ich möchte diskutieren, wie weit Identitäts-Anteile, die in
der psychoanalytischen Ausbildung und Arbeit das
Selbstverständnis mitprägen, anderen Anteilen, die aus
Erfahrungen einer religiösen Sozialisation stammen, gleichen
(wie z.B. Be-Deutung von Worten) und worin sie sich
voneinander unterscheiden (z.B. Immanenz - Transzendenz).
Dabei will ich auch zeigen, dass die in der Literatur
anzutreffende Unterscheidung zwischen beruflichem und
persönlichem Selbstverständnis gerade für uns Psychoanalytiker
wenig hilfreich ist. Stattdessen spreche ich von
psychoanalytischen bzw. religiösen Teil-Identitäten (oder
Selbstanteilen). In ihnen geschieht immer nur eine teilweise
Identifizierung und individuelle Solidarisierung mit den
spezifischen Idealen und Normierungen der jeweiligen
Gemeinschaft, was für diese problematisch sein kann, wenn sie
anderes erwartet.
Identität und mystische Erfahrung
Monika Braunfels, Stefan Winter
Sieht man im Übergang von Moderne zur Postmoderne eine unbewusste kulturelle Suchbewegung, so könnte als deren treibende Kraft der Dialektik von Identität versus (dionysische) Identitätsauflösung als Bedingung lebendigen Identitätsgefühls unterstellt werden. Nun gibt es aber für ldentitätsauflösung in einer „unsterblichkeitsverleugnenden (Franz Borkenau) Diesseitigkeitskultur“ keine Zeit und keinen Ort mehr. Dass aber gerade Identitätsauflösung ein genuin menschliches Bedürfnis und paradoxerweise zugleich Bedingung für ein „tiefes“ Identitätserleben sein könnte, beschrieb der Psychoanalytiker Hans Loewald: „Je mehr wir von primitiver Mentalität verstehen – die eine tiefe Schicht fortgeschrittener Mentalität konstituiert – desto schwieriger wird es, nicht auf den Gedanken zu kommen, dass ihr Sinn und ihre Suche nach irrationaler Nicht-Differenzierung von Subjekt und Objekt eine eigene Wahrheit enthält zugegeben dass diese andere Wahrheit mit unserer rationalen Weltsicht und unserer Suche nach Objektivität schlecht zusammenpasst.“ Das Unbehagen nun, ob in seiner modernen oder seiner postmodernen Form, gründet in der Sicht Loewalds und Borkenaus in einer Verabsolutierung von Diesseitigkeitsorientierung. In der Arbeitsgruppe soll anhand von Fallvignetten - gerne auch aus der Zuhörerschaft - Spuren von „nicht-regressiver Identitätsauflösung“ in Psychoanalysen gemeinsam nachgegangen werden. Dabei werden unter Rückgriff u. a. auf den Begriff des „Numinosen“ Rudolf Ottos, die gnostische Seelenvorstellung und die Ergebnisse der Nahtodforschung Anschlussmöglichkeiten an die psychoanalytischen Konzepte von Trieb und Narzissmus vorgestellt.
– Diskussion
* PV 1.6 – Hotel Helvetia, Lake Lounge
Identität und Geschichte
Moderation: Tobias von Geiso
(max. 30 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Psychoanalytische Überlegungen zu Spuren des Nationalsozialismus in der deutschen Identität heute
Angela Mauss-Hanke
Das physische und psychische Zerstörungswerk der Nazizeit war
zu nachhaltig und tief, um innerhalb von drei Generationen
überwunden werden zu können. Auf diesem Hintergrund wird den
Spuren des Nationalsozialismus, wie sie in unserer heutigen
Identität zu finden sind, nachgegangen.
Die einzige Form von Nähe in einem Umfeld, das von Grausamkeit
und der Auslöschung alles Individuellen dominiert wird, ist
die Identifizierung mit eben dieser emotionalen Kälte. Eine
solche Umwelt fördert ein Menschsein, das gleichsam in einem
frühen Zustand erfroren’, ist und das später auf die
untransformierten archaischen Affekte dieser Frühzeit mit
entsprechender emotionaler Härte zurückgreift. Das Ergebnis
ist eine Generation von Menschen, die von Gnadenlosigkeit
gegenüber sich selbst und anderen geprägt ist – und das ist
genau das, was Hitler wollte. Wenn das Seelische von
Spaltungsprozessen beherrscht wird, gibt es keinen Raum für
die Erfahrung, dass die Traumatisierung anderer nicht möglich
ist, ohne die eigene Integrität zu beschädigen. Das radikal
Böse vernichtet auch den, in dem es die Oberhand gewinnt.
Der Prozess der Bewusstwerdung, der Überwindung der Spaltungen
wird anhand verschiedener Interviews nachgezeichnet. Herr H.
beschreibt sich rückblickend als „begeisterten Hitlerjungen“,
und erzählt dann, wie er sich der mörderischen Verrücktheit
allmählich bewusst wurde, nachdem er 1945, als 17jähriger,
endlich hatte in den Krieg ziehen dürfen. Dieses Interview
wird einen Prozess des Rückgewinnens der Fähigkeit,
Traumatisierung zu empfinden nachzeichnen, der letztlich dazu
führte, Herrn H.’s psychische Integrität zu retten. In
weiteren Beispielen wird geschildert, wie die Beschädigungen
und Zerstörungen bis in die dritte Generation hinein verfolgt
werden können. --‐ Nach dem Tod seines Vaters hatte Herr D.
herausgefunden, dass sein geliebter Vater ein Kriegsverbrecher
gewesen war, der Partisanen gefoltert und ermordet hatte. Es
werden die immensen Loyalitätskonflikte und Spaltungen in
Herrn D. beschrieben, der nach dem Entdecken der Wahrheit über
den Vater unter massivsten psychischen Problemen litt. Danach
kommt seine Tochter zu Wort, die Halbirakerin ist und auch
nicht anders kann, als die Vergangenheit ihres deutschen
Großvaters abzuspalten. Schließlich wird anhand eines
Interviews mit dem in München lebenden Enkel eines polnischen
Auschwitz--‐Überlebenden, der als displaced person in Dachau
gestrandet war, der Frage nachgegangen, wie und auf welch
schwierigem Weg sich eine deutsch--‐jüdische Identität in der
jüdischen dritten Generation entwickeln kann.
Der Einfluss kollektiver Traumatisierungen auf die Großgruppenidentität und die Gefahr ihrer politischen Funktionalisierung.
Mechthild Klingenburg-Vogel
Vamik Volkan weist in seinen Arbeiten auf die Bedeutung
kollektiver Traumatisierungen für die Großgruppenidentität
hin. Kollektive Traumatisierungen, die als sog.
„(aus-)gewählte“ Traumatisierungen den wichtigsten Beitrag zur
Identität einer Großgruppe bilden, können missbräuchlich
funktionalisiert werden, indem die damit verbundene massive
Angst vor einer Wiederholung dieses Traumas geschürt wird. Die
Großgruppenidentität spielt für die affektive
Mobilisierbarkeit einer Gruppe wegen ihrer engen Verknüpfung
mit der individuellen Identität eine ganz wesentliche Rolle
und kann eine so starke emotionale Wirkung entfalten. Das
Schüren dieser traumatischen Angst kann politisch missbraucht
werden, um die eigene Großgruppe zu fanatisieren und sie für
eine Ideologie, evtl. sogar für einen Krieg zu mobilisieren.
Großgruppen können in starke Erregungszustände kommen,
plötzliche Stimmungsumschwünge durchleben und von Angst- und
Ohnmachts- oder von Größenphantasien beherrscht sein, an denen
ihre Mitglieder z.T. bewusst, überwiegend aber unbewusst
partizipieren. Dadurch hervorgerufene Stimmungen, die in einer
Gruppe entsprechend dem Kampf-Flucht-Modus Spaltungsvorgänge
mit vereinfachendem Freund-Feind-Denken befördern, können
durch demagogische Führer aufgegriffen, durch Massenmedien
kommuniziert oder durch diese hervorgerufen werden. Häufig
reicht dann ein Funke, damit es zum destruktiven Ausagieren
kommt, in der Vorstellung, damit eine Wiederholung des Traumas
verhindern zu können.
Der Osten in uns
Michael Froese
– Von einer Trauma-Position zur interkulturellen Perspektive
–
Seit einer Reihe von Jahren beschäftigt sich eine Gruppe von
(Ost-)Berliner Analytikern mit der Frage, wie DDR-Geschichte
in heutigen Psychotherapien/Psychoanalysen widerkehrt.
Zunächst theoretisch, später in Form von Fallvorträgen
näherten wir uns dem Thema. Mit der psychohistorischen
Balint-Gruppe entwickelten wir eine spezielle Methode, in der
wir Spuren der Vergangenheit in der Übertragung genauer
untersuchen können.
Zunächst befassten wir uns mit Konstellationen, in denen
gesellschaftlich bedingte Gewalt traumatisierend gewirkt
hatte. Das bezog sich auf die sog. Wende, politische
Verfolgung, Haft oder auch transgenerationell vermittelte
Kriegsfolgen. Inzwischen hat sich das Spektrum unserer
Arbeitsweise hin zu einer verstärkten Beachtung kultureller
Unterschiede geweitet. Denn neben dem Verlust ihrer früheren
Kultur haben die Ostdeutschen als „unsichtbare“ Migranten eine
neue, bikulturelle Identität zu erwerben. Im Vortrag werde ich
auf typische Beispiele und Ergebnisse eingehen.
– Diskussion
* PV 1.7 – Hotel Helvetia, Media Lounge
Offene AG der Vertrauensleute
Moderation: Brunhilde Schmieder-Dembek
(max. 30 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Der Reichtum der persönlichen Handhabung der Methode – wo ist die Grenze zur Abstinenzverletzung?
Wulf Hübner
In unserer Ausbildung haben wir vermutlich alle eine Art
psychoanalytischer Idealtechnik gelernt. Über das, was wir in
unserer Praxis tatsächlich tun, sprechen wir, wenn überhaupt,
nur mit Vertrauten (Intervisionsgruppe). Von Freud wissen wir,
dass seine Handhabung der Abstinenz weitaus liberaler war als
in den Schriften gefordert.
Wir möchten einen Austausch über unseren persönlichen Stil in
Gang setzen. Der lässt sich natürlich nicht verallgemeinern,
führt aber im Einzelfall zu Interventionen oder Handlungen,
die nicht lege artis sein mögen, sich aber als konstruktiv für
den therapeutischen Prozess erwiesen haben. Allzu oft wird „so
etwas“ als nicht analytisch gebrandmarkt und aus der
Diskussion ausgeschlossen bzw. gar nicht erst eingebracht. Das
ist schade, weil es uns bereichern könnte und weil die
Diskussion über Abstinenzverletzungen, die an den
Ethikrichtlinien orientiert ist (und nicht an der
Idealtechnik) unterbleibt.
Neben allen übrigen Mitgliedern sind Vertrauensleute der
Institute, Mitglieder der Schiedskommission, in den Kammern im
ethischen Bereich tätige Kollegen sowie Kandidaten willkommen.
– Diskussion
Neben allen übrigen Mitgliedern sind Vertrauensleute der Institute, Mitglieder der Schiedskommission, in den Kammern im ethischen Bereich tätige Kollegen sowie Kandidaten willkommen.
* PV 1.8 – Hotel Bayerischer Hof, Raum Konstanz I
AG Psychoanalyse und Gesellschaft
Moderation: Klaus-Jürgen Bruder, Karsten Münch
(max. 80 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Psychologie in Zeiten des Neoliberalismus (II)
Identitäten im neoliberalen Umfeld
Almuth Bruder-Bezzel
Psyche unter Leistungsdruck: Psychotherapie in der neo-liberalen Gesellschaft
Rolf Haubl
Stationäre Psychosomatische Behandlung im Spannungsfeld ökonomischer Zwänge
Wolfram Keller
– Diskussion
* PV 1.9 – Hotel Bayerischer Hof, Raum Konstanz
II
Forschungsforum
Moderation: Bernhard Janta
(max. 80 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Therapeutischer und volkswirtschaftlicher Nutzen ambulanter Psychotherapie: Ergebnisse des QS-Psy-Bay-Projektes
Uwe Altmann
In der QS-Psy-Bay-Studie wurde die Versorgungsqualität ambulanter Psychotherapien im naturalistischen Design untersucht, die in Einzel- und Gemeinschaftspraxen praktiziert werden. Die Studie umfasst Daten von mehreren vdek-Kassen zur ambulanten und stationären Versorgung von 80.726 gesetzlich Versicherten sowie psychometrische Therapieverlaufsdaten einer Teilstichprobe von 1696 ambulant behandelten Patienten. Im Vortrag werden folgende versorgungsrelevante Teilergebnisse des Projektes vorgestellt:
- Mittelwertvergleiche und Verlaufsmusteranalysen zeigten, dass ambulante Psychotherapie zu einer nachhaltigen Symptomreduktion und Verbesserung der Lebensqualität beiträgt.
- Abbrüche standen sowohl mit Patientenmerkmalen (z.B. Arbeitslosigkeit), als auch mit einem Stagnieren des therapeutischen Prozesses im Zusammenhang. Dennoch scheinen sie nicht per se Misserfolge zu sein, da trotz Therapieabbruch signifikante Symptomreduktionen festgestellt wurden.
- Verlängerungen ambulanter Psychotherapien erfolgten v. a. bei stark belasteten Patienten und günstigen Therapiebedingungen. Nur durch die stärkere Therapiedosis konnte ein Therapierergebnis erzielt werden, welches ohne Therapieverlängerung nicht zu erreichen war.
- Analysen von Kassendaten eines fünf-Jahres-Intervalls von rund 22 000 Versicherten zeigten, dass ambulante Psychotherapie hinsichtlich der Kosten stationärer Behandlungen und Arbeitsunfähigkeitstage kostenreduzierend ist.
Insgesamt belegen die Studienergebnisse, dass ambulante Psychotherapien sowohl einen großen therapeutischen Nutzen (Verbesserung der psychischen Gesundheit – auch bei Abbrüchen), als auch einen großen volkswirtschaftlichen Nutzen (Anpassung der Sitzungsanzahl, Reduktion der Versorgungskosten) haben.
Zusammenhänge zwischen der Verbesserung der psychischen Gesundheit und der Reduktion von Versorgungskosten nach ambulanter Psychotherapie
Anna Zimmermann
(Angesichts der aktuellen Kostenentwicklungen im Gesundheitswesen spielen Kosten-Nutzen-Aspekte eine immer gewichtigere Rolle bei der Beurteilung von Behandlungen. Neben der generellen Frage, ob Psychotherapie die Gesundheitsversorgungskosten der Patienten reduziert, ist auch von Bedeutung, bei welchen Patienten und bei welchen Therapieverläufen eine Kostenreduktion zu erwarten ist. Anhand einer Stichprobe bayerischer ambulanter Psychotherapiepatienten, für die sowohl Therapieverlaufsdaten als auch Gesundheitsversorgungsdaten (ambulante, stationäre und Arzneimittelversorgung) vorlagen (N=391), wurden die Kosten im Jahr vor und im Jahr nach Psychotherapie verglichen. Dieser Kostenunterschied wurde dann in Beziehung gesetzt zum Unterschied der psychischen Gesundheit zwischen Beginn und Ende der Psychotherapie. Während sich die psychische Gesundheit mit Effektstärken zwischen .77 und 1.57 signifikant verbesserte, ergab sich eine signifikante Reduktion der Kosten nur im stationären Bereich; die ambulanten Kosten stiegen sogar signifikant an. Die Gesamtkosten reduzierten sich unter Berücksichtigung von im gleichen Zeitraum gestiegenen Gesundheitsausgaben tendenziell. Weiterhin nahmen die Gesamtversorgungskosten signifikant ab, wenn sich die soziale Integration des Patienten vom Therapieanfang zum Therapieende hin verbesserte. Außerdem hing die Reduktion der ambulanten Kosten signifikant mit Prä-Post-Differenzen der Indikatoren des somatischen Befindens, der Stimmung, der sozialen Integration und der Lebenseinstellung zusammen. Damit konnte erstmals nachgewiesen werden, dass eine Verbesserung der psychischen Gesundheit auch mit einem volkwirtschaftlichen Gewinn (Kostenreduktion) assoziiert ist.
– Diskussion
Wie viele Psychotherapeuten braucht
das Land?
Impulse aus der epidemiologisch tiefenpsychologischen Mannheimer Kohortenstudie für die Versorgungsforschung.
Inanspruchnahmeverhalten und Psychotherapiebedarf
Bernhard Janta
Familiäre Desintegration – Herausforderung für die Versorgungsforschung auch in der Psychotherapie
Matthias Franz
Kindheitliche erfahrene Belastungen bestimmen aus dem impliziten Angstgedächtnis heraus in prägender Weise unser Erleben und Verhalten bis ins Erwachsenenalter hinein. Besonders gilt dies für die Verinnerlichung von psychischen Belastungen elterlicher Bezugspersonen und auch konflikthafter elterlicher Trennung. Zunächst werden anhand der kriegs- und trennungsbedingten Vaterlosigkeit mögliche Folgen für die kindliche Entwicklung aus psychohistorischer, entwicklungspsychologischer und psychosomatischer Sicht aufgezeigt. In der Mannheimer Kohortenstudie zur Epidemiologie Psychogener Erkrankungen und anderen Kriegskinderstudien zeigen vaterlos aufgewachsene Kriegskinder (WK2) noch über 60 Jahre später signifikant verstärkt psychische und psychosomatische Beschwerden. Anschließend werden Folgen und Risiken der heutigen, trennungsbedingten Vaterlosigkeit dargestellt. In der Düsseldorfer Alleinerziehendenstudie zeigten sich deutlich erhöhte psychosoziale Belastungen der alleinerziehender Mütter und ihrer Kinder. Neben Armut sind mütterliche Depression und ein anhaltender Trennungskonflikt wichtige Risikofaktoren für die kindliche Entwicklung nach elterlicher Trennung. Der transgenerationale Risikotransfer aufgrund konflikthafter elterlicher Trennung und nachfolgender familiärer Desintegration stellt eine strategische Herausforderung für eine präventionsorientierte Versorgungsforschung auch im Bereich der Psychotherapie dar. Denn auch hier sind biographische Langzeiteffekte nachweisbar. Als präventive Intervention wird abschließend mit wir2 (www.wir2-bindungstraining.de) ein bindungsorientiertes Elterntraining speziell für alleinerziehende Mütter mit Kindern im Vorschulalter vorgestellt.
– Diskussion
* PV 2.0 – Hotel Bayerischer Hof, Raum Konstanz
III
Forum zum Thema Beschneidung
Moderation: Dorothee C. von Tippelskirch-Eissing
(max. 80 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Worüber sprechen wir, wenn wir über
die Beschneidung sprechen?
Diskussionsforum mit Beiträgen von:
Yigal Blumenberg, Micha Brumlik, Sahap Eraslan, Beate Kienemund
* PV 2.1 – Hotel Bayerischer Hof, Raum Lindau
Professionelle Identität
Moderation: Georg Schäfer
(max. 200 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Leistet das Identitätskonzept, was wir uns davon versprechen?
Jürgen Hardt
Zunehmende Disversifikation der Psychoanalyse stellt
verschärft die Frage, wie unterschiedliche Tätigkeiten
zusammengehalten werden können. Psychoanalytiker arbeiten
nicht nur nach eigenem Gesetz, sondern sind vielfältigen
Bestimmungen und Regelungen unterworfen, auf die sie in der
alltäglichen Praxis Rücksicht nehmen müssen. Deswegen stellt
sich die Frage, ob es einen Kern psychoanalytischer Tätigkeit
gibt, der sowohl zur Vereinheitlichung, als auch zur
Abgrenzung dient.
Die Frage nach der Einheit psychoanalytischer Tätigkeit hat
eine lange Tradition in der Geschichte der Psychoanalyse. Die
Antworten sind vielfältig: Die Fiktion der klassischen oder
richtigen Analyse, die psychoanalytische Identität, die
psychoanalytische Haltung, die psychoanalytische Kompetenz,
die zu Markenzeichen (Kernberg) verdichtet wurden.
Mit diesen Konzepten gelang es weder die innerfachlichen (was
richtige Analyse) noch die externen (Behauptung auf dem
Gesundheitsmarkt) Auseinandersetzungen überzeugend zu
bewältigen.
Das Wiederaufleben der Frage nach der Identität ist ein
untrügliches Zeichen für eine Krise des psychoanalytischen
Selbstverständnisses, in der interne und externe Konflikte
zusammenspielen.
Die Konzepte von Identität und Haltung sind „ethisch“ belastet
und zu wenig dynamisch, um Arbeitsprozesse zu beschreiben. Das
Konzept der Kompetenz vom derzeitigen Bildungsdiskurs
dominiert und an isolierten Fertigkeiten orientiert.
Psychoanalytische Identität im Spannungsfeld zwischen institutionalisierten Vorgaben, eigenen Überzeugungen und gesellschaftlichen Anforderungen
Gabriele Poettgen-Havekost
Die psychoanalytische Identität lässt sich als fortdauernder
Prozess begreifen, der sich aus einer Vernetzung von privaten
lebensgeschichtlichen Erfahrungen und beruflicher
Sozialisation entwickelt. Er bewegt sich innerhalb eines
phantasierten und/oder realen Dialogs auf (vor-)bewussten und
unbewussten Ebenen zwischen dem/r AnalytikerIn und der
institutionalisierten, beruflichen Gruppe mit ihren
spezifischen Kriterien der Gruppenzugehörigkeit.
In dieser Beziehung zwischen der Gruppe und dem Einzelnen, die
grundsätzlich zunächst einmal von einem Wunsch nach
Zugehörigkeit bestimmt wird, können sich Konflikte entwickeln.
Das Spektrum, diese zu lösen, beinhalten
Verständigungsmöglichkeiten, die von der Gruppendynamik und
–struktur, der Gruppenkultur abhängig sind. Sie reichen von
integrativen Leistungen im Sinne der Anerkennung von Einheit
und Differenz, über verschiedene Formen der Abwehr des Anderen
und Fremden bis hin zur Anpassung an die Gruppe im Sinne der
Aufgabe der eigenen Individualität und Autonomie. Die
Diskussion des Themas ist nicht denkbar ohne den eigenen
Erfahrungen und dem eigenen Betroffen-Sein einen Platz
einzuräumen.
Immer wieder haben sich namhafte Autoren kritisch zu der
psychoanalytischen Sozialisation und damit Bedingungen für die
Identitätsentwicklung geäußert, dies blieb interessanterweise
weitgehend ohne einen gravierenden Einfluss auf die Institute
und Gesellschaften.
So forderte schon Mario Erdheim die Anwendung des kritisch
hermeneutischen Potentials der Psychoanalyse auf das eigene
Tun. Autoren wie Ermann, Kächele, Kernberg, Küchenhoff,
Mertens, Mitscherlich, Nagell u.a., Thomae, Wiegand-Grefe
haben sich kritisch mit den Auswirkungen der
psychoanalytischen Sozialisation auseinandergesetzt. Cremerius
beschäftigte sich vor allem mit den Machtaspekten der
Ausbildung, insbesondere auch mit den Bedingungen der
Lehranalyse, die einen entscheidenden Beitrag zur
Identitätsbildung von Analytikern darstellt. Mit der
historischen Dimension der institutionalisierten Psychoanalyse
hat sich Regine Lockot beschäftigt.
Die Überlegungen zur psychoanalytischen Identität sind heute
auch im Kontext von gravierenden Veränderungen innerhalb des
Ausbildungssystems zu sehen.
Identität und Institution. Ein Diskussionsbeitrag zur Frage der professionellen psychoanalytischen Identität
Andreas Herrmann
In den letzten Jahren scheint es einen Paradigmenwechsel gegeben zu haben, der dazu geführt hat, die Individualität des Analytikers stärker in den Vordergrund zu stellen. Zugleich unterliegt unsere Tätigkeit weiterhin einer starken Institutionalisierung. Was bedeutet das für unsere professionelle Identität? Das Spannungsverhältnis zwischen analytischer Identität und Institutionalisierung wird hier in fünf Schritten diskutiert: Zu Beginn wird der Identitätsbegriff erläutert, wobei vor allem an das kritische Potential des „Nichtidentischen“ erinnert wird. Zweitens wird aus soziologischer Sicht beschrieben, wie Institutionen unsere Identität prägen. An den spezifisch psychoanalytischen Konzepten von Identifizierung und Ich-Identität wird drittens zu zeigen versucht, wie störanfällig die Identität der Persönlichkeit letztlich bleibt, ein Befund, der sich auch auf die soziale Interaktion in unseren Institutionen auswirkt. Dabei kommt dem Freud’schen Konzept des Narzissmus der kleinen Differenzen eine besondere Bedeutung zu. Der selbstreflexive Gebrauch dieser psychoanalytischen Konzepte kann uns viertens dabei helfen, einige Schwierigkeiten in unseren Institutionen, in denen die Gruppenidentität eine wichtige Rolle spielt, besser zu verstehen. Fünftens wird auf die aktuelle Auseinandersetzung um die Lehranalyse eingegangen, in der die Konflikthaftigkeit der Beziehung zwischen analytischer Identität und unseren Institutionen besonders deutlich wird. Die Überlegungen zum Verhältnis von Identität und Institution schließen mit einem Ausblick auf die Möglichkeit einer besseren Zusammenarbeit in unseren Institutionen.
* PV 2.2 – Hotel Bayerischer Hof, Raum Bregenz
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie – ein psychoanalytisch begründetes Verfahren
(max. 30 Teilnehmer)
Die Veranstaltung ist offen für alle DGPT-Mitglieder und Gäste. Wir freuen uns besonders auf einen regen Austausch mit
affiliierten Mitgliedern.
Da kasuistisch gearbeitet wird, ist eine vorherige Anmeldung notwendig.
14:15 – 16:15 Uhr
Die Berücksichtigung von Verfahrensaspekten bei behandlungstechnischen Entscheidungen I
AG Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie der DGPT
Eeva-Kristiina Akkanen-vom Stein, Stephan Alder, Astrid Gabriel, Michael Krenz, Charlotte Rothenburg,
Birgitta Rüth-Behr, Anne Springer, Albrecht Stadler
Im Tagungsband zur Jahrestagung 2012 hat die Arbeitsgruppe die Zwischenergebnisse ihrer Untersuchung der Praxis von Psychoanalytikern in der Umsetzung der Konzeption der „tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie“ vorgestellt. Der Aspekt, dass das Verfahren aus der Begrenztheit der zur Verfügung stehenden Zeit eine fruchtbare Dynamik bezieht, war dabei ein zentrales Ergebnis.
Das auf 2 Jahrestagungen ausgerichtete Format der Veranstaltung hat zum Ziel, die Konzeption zentraler verfahrenstechnischer Aspekte aus psychoanalytischer Sicht weiter zu vertiefen. Es wird das Protokoll einer Stunde aus einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie vorgestellt, in der verschiedene behandlungstechnische Möglichkeiten gegeben waren. Der Einfluss des verfahrenstechnischen Bezuges im Sinne der Berücksichtigung der Begrenztheit soll untersucht werden, behandlungstechnische Alternativen können diskutiert werden.
16:30 – 18:30 Uhr
Arbeit mit dem Focus
AG Praxis der Tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie
Michael Klöpper, Erich Limmer, Bettina Mudrich
Die AG richtet sich als durchlaufendes Angebot im Rahmen der
Jahrestagungen an KollegInnen, die an einer längerfristigen
Beschäftigung mit der Praxis der Tiefenpsychologisch
fundierten Psychotherapie interessiert sind.
Dr. Michael Klöpper wird einen Fall aus seinem im Herbst
erscheinenden Buch vorstellen, anhand dessen wir weiter
behandlungstechnische Fragen zum Umgang mit dem Fokus in der
TP diskutieren möchten.
In den folgenden Jahren möchten wir die Diskussion von
Fallvignetten unter verschiedenen Aspekten
tiefenpsychologischer Behandlungspraxis fortsetzen. Die
Ergebnisse werden protokolliert und den TeilnehmerInnen zur
Verfügung gestellt.
Auf diese Weise möchten wir im kollegialen Austausch die
Verbindung von theoretischen Konzepten und Praxis plastisch
werden lassen und damit die eigene Arbeit erleichtern.
Wir haben uns gemeinsam mit der AG Tiefenpsychologisch
fundierte Psychotherapie der DGPT (Leitung: B. Rüth-Behr, A.
Springer) entschieden, die Arbeitsgruppen nacheinander mit
jeweils einer Doppelstunde anzubieten, damit Interessierte an
beiden Gruppen teilnehmen können.
18:45 – 19:45 Uhr
Konferenz der Freien Institute - offen für alle MitgliederInnen und KandidatensprecherInnen der Freien Institute
* PV 2.3 – Hotel Bayerischer Hof, Raum Vaduz
Gesprächsforum
Moderation: Christiane Grammel, Ariane Heeper
(max. 20 Teilnehmer)
16:30 – 18:00 Uhr
Nachwuchs-Psychoanalytiker zwischen Existenzsorgen und Zukunftsperspektive
Nach der langjährigen psychoanalytischen Aus- bzw. Weiterbildung stellt der Übergang zum Berufseinstieg als PsychoanalytikerIn oft nochmals eine sehr schwierige Phase dar. Wir möchten mit diesem Forum einerseits gezielt informieren und verschiedene Perspektiven aufzeigen, andererseits auch einen Rahmen zum anregenden und entlastenden Austausch schaffen. Der überregionale Rahmen soll genutzt werden, um sich frei von lokalen, evtl. nach der Ausbildung entstehenden und ebenfalls belastenden Konkurrenzsituationen, zu den schwierigen Themen des psychoanalytischen Nachwuchses auszutauschen. Der unterstützende Halt der entstandenen Gruppe Gleichgesinnter, aber auch anregende neue Impulse Anderer sollen dabei einen unseres Erachtens wichtigen Beitrag zur Psychohygiene von uns "Jung-PsychoanalytikerInnen" leisten. Ausdrücklich sind zur Gruppe auch KandidatInnen eingeladen, die sich mit Existenzsorgen, Zukunftsängsten und ähnlichen Themen „plagen" und darüber austauschen möchten.
* PV 2.4 – Studiokino im Parktheater
Moderation: Hans-Jürgen Wirth
(max. 150 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Psychoanalyse und Film
“Das radikal Böse” von Stefan Ruzowitzky
– Diskussion
Es handelt sich um einen Dokumentar- und Lehrfilm, in dem die systematischen Erschießungen jüdischer Zivilisten durch Polizeibataillone und Einsatzgruppen in Osteuropa dargestellt wird. Der Film geht Fragen nach wie: Wie werden aus ganz normalen jungen Männern Massenmörder? Warum töten ehrbare Familienväter Tag für Tag Frauen, Kinder und Babys? Was haben sie dabei empfunden? Haben sich mache geweigert, teilzunehmen? Hat sie "die Arbeit des Tötens" seelisch beeinträchtigt?
Der Film ist ausdrücklich an psychoanalytischen Überlegungen orientiert, auch wenn vor allem Ergebnisse aus der experimentellen Psychologie (z.B. das Milgram-Experiment und das Stanford-Prison-Experiment) dargestellt werden. Interviewt werden verschiedene Wissenschaftler, u. a. der Historiker Christopher Browning und der Psychiater und Psychoanalytiker Robert Jay Lifton. Der Film ist m. E. (H.-J. Wirth) nicht nur inhaltlich wichtig, sondern auch für die psychoanalytische Theoriebildung interessant. Kann man das radikal Böse psychoanalytisch erklären, wenn doch die Täter "ganz normal" waren und offenbar keine Psychopathologie aufwiesen? Es geht auch um die Thesen des Sozialpsychologen Harald Welzer (der beratend an dem Film mitgewirkt hat) und die psychoanalytische Kritik an seinem Ansatz. Dazu erfolgt eine Stellungnahme des Moderators.
Sonntag, 28. September
Inselhalle, Saal Europa
Moderation: Beate Unruh
09:30 – 10:30 Uhr
Das „Versprechen“ der Identität im
Zeitalter der Seele: Psychische Heterogenität und die Zumutung,
eine Person zu sein
– Diskussion
Jürgen Straub
„Identität“ ist eine Problemanzeige. „Wer bin ich
(geworden), wer möchte ich heute und morgen sein?“: Diese
längst ‚epidemische‘ Frage stellt sich nur dann, wenn sie sich
nicht mehr umstandslos beantworten lässt. Viele Menschen, die
diese Frage umtreibt, suchen zeitlebens nach klaren, stabilen
Antworten – oft vergeblich.
Aus dieser geläufigen Einsicht folgern manche Philosophen und
Wissenschaftlerinnen, der Identitätsbegriff sei hoffnungslos
veraltet und habe seine kulturelle und psychosoziale Bedeutung
längst verloren. Postmoderne oder poststrukturalistische
Loblieder auf das „Nicht-Identische“ (auf „Hybridität“,
„Multiplizität“, „Polyphrenie“ etc.) bezeugen das lautstark.
Diese populäre Auffassung verdankt sich indes einem
gravierenden Irrtum, genauer: einer beispiellosen
Trivialisierung moderner Theorien personaler Identität. Sie
ignoriert zudem die weiterhin virulenten Lebensprobleme, die
dieser soziologische, psychologische und psychoanalytische
Begriff fokussiert. Manchmal feiert die eilfertige Diagnose
sogar die funktionale Geschmeidigkeit und virtuose
Anpassungsfähigkeit ‚gesichtsloser Menschen‘ – nolens volens.
Im Vortrag werden Konturen eines theoretisch komplexen,
empirisch haltbaren und zeitdiagnostisch aufschlussreichen
Identitätsbegriffs skizziert. Für diesen
psychologisch-anthropologischen Grundbegriff sind die
Rationalität und die Emotionalität, das Bewusstsein und das
Unbewusste des Menschen gleichermaßen wichtig. Im
Identitätsdiskurs gehören mithin das Selbsterleben und die
Selbstreflexion sowie der Selbstentzug unweigerlich zur
seelischen Existenz jenes sozialen und kulturellen Lebewesens,
das sich in seinem Bemühen um Selbsttransparenz paradoxerweise
stets auch intransparenter wird.
10:30 – 11:00 Uhr
Kaffeepause
11:00 – 12:00 Uhr
In Between – Identität und
Migration
– Diskussion
Aydan Özdaglan
In Zeiten von Migration und Globalisierung kommen immer
häufiger Patienten aus fremden Kulturen in unsere
psychotherapeutischen Praxen. Können wir diese in der gleichen
Weise behandeln wie unsere deutschen Patienten oder benötigen
wir bestimmte theoretische Konzepte, um uns besser in ihre
Problematiken einfühlen zu können? Welche Rolle spielen
kulturell fremde Identität, bzw. Identitätsbildung zwischen
Herkunftskultur und umgebender Kultur in der
psychotherapeutischen Begegnung? Müssen wir uns mit der
jeweiligen Herkunftskultur unserer Patienten auskennen und uns
mit dieser auseinandersetzen? Wie stark werden wir durch die
Konfrontation mit dem Phänomen „Kultur“ mit eigenen Fragen
konfrontiert, die wir vielleicht glaubten, längst hinter uns
gelassen zu haben?
Die psychotherapeutische Arbeit mit Patienten aus fremden
Kulturen berührt viele Themen, durch die unsere Wahrnehmung
für kulturelle Phänomene in allen möglichen Bereichen, in
denen „Kultur“ in weiterem Sinne eine Rolle spielt, geschärft
wird. Nicht zuletzt ergibt sich als Nebeneffekt die Chance zu
einer weiteren Selbstanalyse, da wir heute noch davon ausgehen
können, dass solche Fragen in unseren eigenen Analysen zumeist
nicht durchgearbeitet wurden.
12:00 – 13:00 Uhr
Von der Loyalität zur Identität.
Eine Illusion oder eine Perspektive für die Männer?
– Diskussion
Matthias Franz
Zusammenfassung: Aus psychohistorischer Sicht wird unser Männer- und Väterbild seit etwa 200 Jahren von destruktiven Einflüssen und Entwertungen bestimmt, deren zunehmend empfundene Dysfunktionalität zu einer weithin spürbaren männlichen Orientierungskrise beiträgt. Am Beispiel der kriegsbedingten Vaterlosigkeit fokussiert dieser Vortrag zunächst auf die bis heute wirksamen biographischen Langzeitfolgen des fehlenden Vaters. In der Mannheimer Kohortenstudie zur Epidemiologie Psychogener Erkrankungen zeigten vaterlos aufgewachsene Kriegskinder empirisch nachweisbar noch 50 Jahre später verstärkte psychische und psychosomatische Beschwerden. Die Einprägungen dysfunktionaler Vaterbilder und abwesender Väter zusammen mit den häufig assoziierten verinnerlichten Bildern einer depressiv-bedürftigen oder verfolgenden Mutter liefern jeweils eigene Stabilisierungsbeiträge zur Entwicklung einer männlichen Scheinautonomie, eines instabilen männlichen Selbstwertgefühls und zunehmender familiärer Bindungsängste vieler Männer. Die resultierende Frage nach der männlichen Identität wird dadurch in der Latenz auch von der reaktiven Polarität patriarchalischer und dyadischer Loyalitäten bestimmt. Diese Konstellationen finden sich aufgrund ihrer kollektiven Verbreitung auch in typischen Übertragungskonstellationen psychoanalytischer Behandlungen, wofür Fallbeispiele gegeben werden. Eine wertschätzende Haltung und männersensitive Wahrnehmungsbereitschaft jenseits rollentypischer Festlegungen und Idealisierungen könnte auch in unseren Behandlungen die Suche nach männlicher Identität unterstützen.
13:00 Uhr
Verabschiedung
Im Anschluss:
Ausgabe der Zertifizierungen
Die Jahrestagung ist durch die Bayerische Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten als Fortbildungsveranstaltung gemäß § 95 d SGB V anerkannt und mit 12 Fortbildungspunkten (3/ 6/ 3) zertifiziert. Entsprechende Teilnahmebescheinigungen erhalten Sie am Ende der Tagung gegen Abgabe Ihres persönlichen Barcode-Aufklebers oder nach Eintrag in die Unterschriftslisten im Tagungsbüro.